"Sehen Ihre Nägel seltsam aus?" Diese Frage stellte der britische Epidemiologe Tim Spector kürzlich auf Twitter und teilte ein Bild dazu. Es zeigt Fingernägel, die sichtbare Rillen und Linien sowie rötliche Verfärbungen aufweisen. Solche Veränderungen auf den Nägeln könnten ein Überbleibsel einer zurückliegenden Corona-Erkrankung sein. Spector spricht von "Covid-Nails". Der Professor für genetische Epidemiologie am King's College leitet die größte Covid-19-Symtomstudie der Welt. Gesammelt werden die Daten unter anderem über die "Zoe Covid Symptom Study"-App. Eine der Begleiterscheinung, die Corona-Infizierte demnach häufiger meldeten, seien Auffälligkeiten auf ihren Nägeln. Zufall? Spector glaubt das nicht.
Veränderungen auf den Nägeln werden auch nach anderen Infektionen, aber auch bei Unterernährung oder nach einer Chemotherapie beobachtet. Kämpft der Körper gegen besondere Belastungen, fährt er andere Mechanismen im Körper herunter – auch die Nägel wachsen in dieser Zeit nicht wie normal. Setzt das Wachstum wieder ein, entsteht eine Art Stresslinie. Sichtbar wird diese als horizontale Einkerbung auf den Nägeln, auch als "Beau's lines" bekannt. Betroffen können sowohl Finger- als auch Zehennägel sein. Solche Linien wurden auch bei Menschen beobachtet, die eine Corona-Erkrankung durchgestanden hatten. "Es ist wie eine Markierung an einem Baum, wenn ein Ereignis stattgefunden hat", erklärte Spector dem "Business Insider".
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Covid-Nails: Rillen und Verfärbungen auf den Nägeln
Rillen auf den Nägeln sind nicht ungewöhnlich. Meist handelt es sich dabei aber um Längsrillen. Diese gehören zum natürlichen Alterungsprozess und sind harmlos. Sie können aber auch eine Folgeerscheinung von Flüssigkeitsmangel sein und ein Indiz dafür, dass Betroffene zu wenig trinken. Die im Zuge der Corona-Symptomstudie beobachteten "Covid-Nails" zeichneten sich demnach unter anderem durch Querrillen aus. Diese entstehen, wenn das Wachstum der Nägel zeitweise gestört ist, beispielsweise ausgelöst durch Erkrankungen mit hohem Fieber. Auch Fehler bei der Maniküre können horizontale Einkerbungen verursachen.
Querrillen als Folge einer Erkrankung werden erst Wochen, manchmal erst Monate später sichtbar, da Nägel nur langsam wachsen. Daher werden "Covid-Nails" auch als "Post-Covid-Nails" bezeichnet, also als ein Nach-Corona-Symptom. Diese Linien sehen zwar nicht schön aus, sind aber ungefährlich. Im Regelfall wachsen sie nach einiger Zeit heraus. Eine andere Veränderung der Nägel, die in Zusammenhang mit einer Corona-Erkrankung gebracht wird, wird schneller sichtbar: rötliche, mondförmige Linien auf den Nägeln, beziehungsweise Verfärbungen über dem weißen Halbkreis der Nagelplatte.
Änderung der Nagelstruktur nach Corona-Erkrankung
Warum es zu diesem "Band" kommt, ist bisher nicht bekannt. Forscher:innen sehen eine Schädigung von Blutgefäßen, in diesem Fall des Kapillarnetzes, als mögliche Ursache. Dass eine Corona-Infektion sich auch auf die Blutgefäße auswirken kann, ist nicht neu. So berichteten Experten:innen auch über sogenannte "Covid-Finger", die ebenfalls als Folge einer Corona-Infektion aufgetreten sein sollen. Demnach hätten die Viren die Blutgefäße angegriffen und die Durchblutung gestört, in mehreren Fällen mussten Betroffenen daraufhin Finger amputiert werden.
Bei anderen Erkrankungen, die eine Veränderung der Nagelstruktur als Folge haben, steigt die Wahrscheinlichkeit der Veränderungen mit der Schwere der Krankheit. Das sei bei einer Sars-CoV-2-Infektion nicht gesichert, so Spector. "Covid-Nails" könnten ein Marker für eine schwere Corona-Infektion sein, sagt Spector. Sollte sich der Verdacht im Laufe der Studie weiter erhärten, dass eine Infektion mit dem Virus zu Corona-Nägeln führe, könnte das Menschen helfen, auch ohne Test herauszufinden, ob sie mit dem Virus infiziert waren.
Blick auf die Nägel kein eindeutiger Beweis für zurückliegende Infektion
"Wenn wir genug Zahlen bekommen, die mit asymptomatischem Covid19 assoziiert sind, ist das ein billiger Antikörpertest", sagte er dem "Business Insider". "Die Leute müssen nur auf ihre Nägel schauen." Andere Experten äußerten sich allerdings diesbezüglich skeptisch. Da wie beschrieben auch andere Erkrankungen zu solchen Änderungen der Nagelstruktur führen können und auch nicht jeder, der sich mit dem Virus infiziert, auch "Covid-Nails" entwickelt, seien von solchen Markern keine eindeutigen Rückschlüsse auf Sars-CoV-2 möglich. Die sicherste Variante der Überprüfung bleibt daher im Nachgang einer möglichen Corona-Erkrankung der Antikörpertest.
Dazu kommt, dass die Meldungen über die Nagelveränderungen bislang noch recht überschaubar sind. Shari Lipner, Dermatologin an der Weill Cornell Medicine in New York, sagte der "Seattle Times", dass das Coronavirus zwar solche Rillen verursachen könne, es sich aber um ein "seltenes Vorkommnis" handele. Die Zahl der Meldungen über "Covid-Nails", welche Nutzer:innen in der "Zoe Covid Symptom Study"- App meldeten, gingen, so Spector, "in die Hunderte". Etwa 4,5 Millionen Menschen haben die App heruntergeladen. Der Epidemiologe geht davon aus, dass die Zahlen mit Bekanntheit der "Covid-Nails" zunehmen. "Wir finden zunehmend heraus, dass Menschen auf unterschiedliche Weise auf das Virus reagieren", sagte er dem Blatt. "Dies könnte nur ein weiteres dieser eher merkwürdigen klinischen Anzeichen sein, die erst Wochen oder Monate später entdeckt werden."
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